Interviewreihe
17.07.2017 - Experten-Interview
Interview mit Jurymitglied Univ.-Prof. Dr. Volker Stein, Universität Siegen
INNOVATIONSPREIS-IT 2017
1. Sie sind Mitglied in der Fachjury des INNOVATIONSPREIS-IT 2017. Was zeichnet Sie dafür besonders aus?
Als Professor für Personalmanagement und Organisation an der Universität Siegen, aber vielmehr noch als Gründungsvorstand der Universität Siegen Business School bekomme ich aus erster Hand – nämlich von den Führungskräften aus der Praxis, die sich bei uns weiterbilden lassen – mit, dass Innovation nicht allein ein Thema der Weiterentwicklung von Technologie ist. Es ist vor allem auch ein Thema der Weiterentwicklung von Unternehmen. Um ein Unternehmen in seiner Gesamtheit auf seine eigenen Innovationen hin auszurichten, muss modern geführt werden. Nun stehen die Führungskräfte sowieso bereits unter immensem Leistungs- und Wertschöpfungsdruck. Dennoch: Sie sind zusätzlich dafür verantwortlich, Innovation voranzutreiben und Innovativität gemeinsam mit ihren Mitarbeitern zu leben. Letztlich ist es die Kompetenz der Führungskräfte, die Unternehmen zur Innovation antreibt.
2. Was bedeutet für Sie „Innovation“?
Innovation ist die Summe aus drei Dingen: den guten Ideen, deren Einbindung in das strategische Geschäftsmodell und der kulturellen Grundausrichtung im Unternehmen, diese Innovativität sichtbar nach innen und nach außen leben zu wollen.
3. Welche Voraussetzungen sollte eine Lösung oder ein Unternehmen erfüllen, um dauerhaft zu den Vorreitern der Industrie zu gehören?
Ein Unternehmen kann dann zu einem Vorreiter der Industrie werden, wenn es den Wandel von „Führung“, der die jetzige Digitalisierungsdynamik begleitet, versteht. Denn es ist doch nicht allein das Lean Management, in dessen Folge von der schlanken Produktion über die schlanke Führung und Verwaltung bis hin zum schlanken Innovationsmanagement vieles verändert wird, allerdings vor allem im Sinne von Strukturen und Prozessen.
Bei Lichte besehen ist die erfolgskritische Variable aber die Belegschaft. Alle Mitarbeiter in die digitalen Wertschöpfungsstrukturen einzubinden und sie verantwortlich mitentscheiden zu lassen, das ist das Gebot der Stunde. Häufig wird vom Leitbild des „Unternehmers im Unternehmen“ gesprochen, also von Mitarbeitern, die in der verschlankten Welt hochflexibler Produktionszusammenhänge möglichst selbständig zweckmäßige Entscheidungen treffen sollen. Dazu werden dann allerdings „die echten Spezialisten“ gebraucht. Sie sind nicht in zwei, drei Monaten herangewachsen, sondern haben sich über mehrere Jahre hinweg qualifiziert und Erfahrungen gesammelt. Erst dann erkennen sie auf einen Blick beispielsweise an Nuancen der Oberflächenfarbe, ob ihr Werkstoff wirklich die richtige Temperatur hatte. Sie können dann „in Echtzeit“ – und selbst in Krisensituationen – entscheiden, welche weitere Richtung ein Prozess situationsabhängig nehmen soll. Und wer fördert und fordert diese Mitarbeiter? Letztlich die erfahrenen, kompetenten und rollenbewussten Führungskräfte.
Wenn ich mir jetzt noch IT-Lösungen zur Unterstützung von Innovation ansehe, dann frage ich mich immer, inwieweit bei aller Technologie auch die Führungskraft und die Mitarbeiter mitgedacht werden: Einbindungs- und Partizipationsmöglichkeiten bei Entscheidungen, Transparenz von Entscheidungen, Kommunikationsroutinen im Rahmen der IT-Anwendung und vieles mehr. Auch bei IT-Lösungen muss meiner Meinung nach das Thema „Führung“ von vornherein mitgedacht werden.
4. Welche Rolle spielt „Innovation“ Ihrer Meinung nach für den Mittelstand?
Ohne permanente Innovation gehen Wettbewerbsvorsprünge verloren. So weit, so bekannt. Aber aus gutem Grund sind insbesondere mittelständische Unternehmen bestrebt, ihre erfahrenen Mitarbeiter zu binden: Denn gerade, wenn Fabriken smarter und Prozesse stärker digital durchdrungen werden, sind es die Mitarbeiter, die als Teams die zunehmend komplexe und gleichzeitig flexible Arbeit bewältigen. Wenn in einer solchen Situation Führungsprobleme auftauchen, leidet die Innovativität. Selbst innovative Weltmarktführer sind nicht immun dagegen, dass plötzlich Krankenstand und Mitarbeiterfluktuation steigen. Es liegt dann in der Verantwortung der Führungskräfte, die zugrunde liegenden Probleme anzugehen. Dafür sind jedoch ganzheitliche Management- und Führungskompetenzen und deren fortlaufende Aktualisierung notwendig. Mittelständler, die dies erkennen, investieren bewusst in die führungsbezogene Weiterqualifizierung ihrer aufstrebenden Führungskräfte – also in die Entwicklung von Kompetenzen wie auch die Entwicklung von Führungsrollen. Und wenn ich dies hier sagen darf: Unsere Universität Siegen Business School ist an dieser Stelle ein erfahrener und erfolgreicher Weiterbildungspartner.
5. Was ist aus Ihrer Sicht der Trend, der in den nächsten Jahren den ITK-Bereich und mittelständische Unternehmen am meisten beeinflussen wird?
Nach wie vor die bewusste Ausrichtung auf die Kunden. Sie wird allerdings noch viel konsequenter als bislang in alle Teilprozesse des mittelständischen Unternehmens einfließen, auch in diejenigen, die bislang eher „kundenfern“ eingeschätzt wurden. Und auch dies bringt wieder eine bedeutende Herausforderung für die Führungskräfte mit sich: nämlich, die Kundenperspektive unternehmensintern bewusst zu machen, sie also so zu „übersetzen“, dass bereits jeder einzelne Mitarbeiter zum kundenorientierten unternehmerischen Innovationstreiber wird.
Univ.-Prof. Dr. Volker Stein ist Inhaber des Lehrstuhls für Personalmanagement und Organisation an der Universität Siegen (www.pmg.uni-siegen.de) und Gründungsvorstand der Universität Siegen Business School zur Weiterbildung von Führungskräften(http://www.uni-siegen.de/business-school/).